Aktuelles Katzengesundheit

Die kranke Katze: Wo hört Tierliebe auf – wo fängt Egoismus an?

Der Tod der geliebten Katze – ein emotionaleres Thema gibt es leider kaum. Noch schmerzhafter ist die Entscheidung, die Tierfreunde gegebenenfalls treffen müssen. Lasse ich mein Tier einschläfern? Versuche ich es mit neuartigen oder alternativen Medikamenten – oder verlängere ich hierdurch nur das Leiden meiner Fellnase?

Die Tiermedizin bietet mittlerweile ungeahnte Möglichkeiten! Foto: Shutterstock
Die Tiermedizin bietet mittlerweile ungeahnte Möglichkeiten! Foto: Shutterstock

Die Tiermedizin bietet mittlerweile ungeahnte Möglichkeiten. Dank fleißiger Forscher und spezialisierter Tierärzte können Tierhalter mittlerweile aus dem Vollen schöpfen. Ihnen stehen fast alle Behandlungsmethoden, die es auch in der Humanmedizin gibt, zur Verfügung – von der Chemotherapie über Physiotherapie und Antikörper-Therapie. Viele Krankheiten der Katze sind heilbar geworden. Und selbst nach einer schlechten Diagnose können Katzenfreunde hoffen, das Dasein ihres Vierbeiners auf lebenswerte Weise verlängern zu können.

Diese Möglichkeiten stürzen uns aber in das gleiche Dilemma, das wir schon von Patientenverfügungen und Sterbehilfe kennen: Wie lange darf man einem todeskranken Tier eine Therapie zumuten, wann ist Leben noch lebenswert – und wann ist das Einschläfern des geliebten Tieres der richtige Weg, um Leiden zu beenden? In wieweit handeln wir im Sinne unseres tierischen Familienmitgliedes, wann sind wir egoistisch?

„Vorausgesetzt das Tier hat keine Schmerzen, können wir ertragen es sterben zu lassen? Sterben ist ein Prozess, der sicherlich nicht mit Wohlempfinden und Fröhlichkeit verbunden ist, aber in dem wir ihn immer abkürzen schonen wir dabei uns oder das Tier?“, fragte sich auch Katzenpsychologin Tanja Reinschmidt, als sie sich Gedanken um eine Behandlung ihres Pflegekaters „Käpten“ machen musste. Käpten war ein Bild des Erbarmens, als er aus dem Tierheim Rüsselheim zu Tanja Reinschmidt kam: Schwach und verdreckt, unkastriert, unterernährt und mit einem mehrfach gebrochenen Schwanz wurde er zudem mit FIV diagnostiziert. Käpten fraß nur das Nötigste. Als er die Futteraufnahme schließlich ganz einstellte, wurde eine starke Entzündungen im Mund- und Rachenraum festgestellt – eine bei FIV-Katzen verbreitete Erkrankung. Nach einer Antibiotikabehandlung kehrte sein Appetit zurück. Um seinen Allgemeinzustand besser einschätzen zu können, ließ Tanja Reinschmidt ein Blutbild anfertigen. „Das Ergebnis war sehr traurig. Seine Nieren waren stark angegriffen, er verlor übermäßig viel Eiweiß und seine Bauchspeicheldrüse war ebenfalls entzündet. Die Zähne waren in einem erbärmlichen Zustand und hatte er keine Zahnfleischentzündung, hatte er einen schmerzenden Backenzahn.“ Schmerzen beim Essen, Übelkeit wegen der Niere und der Bauchspeicheldrüse führten immer wieder dazu, dass der Käpten sein Futter verweigerte. „Wir probierten eine Futtersorte nach der anderen. Nach jeder Kriese rührte er das Futter, dass er bis dahin gegessen hatte, nicht mehr an“, erinnert sich Frau Reinschmidt.

Käptens Medikamentenliste konnte sich sehen lassen: „Zwei Mal am Tag Pronefra, einmal am Tag Semintra, einmal SUC, einmal Metacam, zweimal Antra Mups und einmal Pancreas. Dazu noch einmal die Woche Rhenus Viscuum. Wenn er nicht fraß noch einmal alle zwei bis drei Tage etwas Appetitanregendes. Dazu kamen Infusionskuren um die Niere zu reaktivieren und turnusmäßige Antibiotikaspritzen, ohne die die Entzündungen im Mund nicht mehr in den Griff zu bekommen waren.“ Käpten ließ alles friedlich über sich ergehen – bis er vor zwei Monaten begann, sich immer mehr zu sträuben. Medikamente wurden ausgespuckt, er versteckte sich vor seiner Pflegefamilie und zog sich immer mehr zurück.

Tanja Reinschmidt entschied sich, die Medikamente auf die lebenswichtigsten Präparate zu reduzieren, um Käpten nicht mit noch mehr Medikamentengaben zu verängstigen. „Die Medikamtente die er am stärksten ablehnte, Semintra, Pronefra und Antra Mups, ließ ich nach Rücksprache mit der Tierärztin weg“, berichtet sie. „Das war ein schwieriger Schritt für mich, weil ich Verantwortung übernommen hatte und nun sehenden Auges auf therapeutisch erforderliche Maßnahmen verzichten musste.“ Käpten dankte es ihr unverzüglich und taute auf. Doch sein gesundheitlicher Zustand verschlechterte sich weiter – die Tierarztbesuche mit dem verängstigen, schreienden und sich übergebenden Kater wurden zur Qual. „Da sich trotz Infusionen und Appetit anregenden Tabletten keine Besserung einstellte, beschloss ich, die Infusionen einzustellen. Ich kochte aus Suppenfleisch Brühe und war glücklich, als er diese trank.“ Fast 10 Tage fraß Käptn nichts außer seiner Brühe und einem gelegentlichen Bissen von gekochtem Huhn oder Fisch. „Mich quälte der Zustand, ich fragte mich ständig, quäle ich ihn? Muss ich es beenden? Wie lange darf ich warten? Lasse ich ihn elend verhungern? Bekomme ich ein Zeichen, wenn es endgültig nicht mehr geht? Ist es die Entzündung im Mund? Reicht das Schmerzmittel aus? Sind es die Nieren? Ist es die Bauchspeicheldrüse? Leidet er? Tue ich ihm einen Gefallen, wenn ich es jetzt beende? Wie fühlt es sich an, wenn man an Nierenversagen stirbt? oder an Schwäche? Was würde ich mir wünschen? Zuhause im eigenen Bett, die Augen schließen und weg sein.“ Gedanken, die wohl jeder Katzenbesitzer nachvollziehen kann… Eine tierärztliche Blutuntersuchung zeigte schlechte Werte. Der Eiweißmangel war lebensbedrohlich. Aus Verzweiflung probierten Tanja Reinschmidt und ihre Tierärztin weitere Futtersorgen aus – Käptn begann tatsächlich wieder, zu fressen, und blühte noch einmal richtig auf, berichtet Frau Kleinschmidt. „Er war lebendiger und munterer, sein Schritt war federnder und er zeigte vor allem meinem Mann, wie glücklich er ihn gemacht hatte.“ Viele Katzenbesitzer berichten Ähnliches von ihren todeskranken Katzen: Kurz vor dem Einschlafen zeigen sie sich verschmust, lebendig und aktiv. Auch Käptn schien gespürt zu haben, dass seine Zeit dem Ende zuging: „Donnerstags hörte er wieder auf zu Essen, er trank auch keine Brühe und er zog sich zurück. Samstagmorgen haben wir ihn eingeschläfert“, erzählt Tanja Reinschmidt. Eine Geschichte, die zu Tränen rührt… „Ich hätte ihm so sehr gegönnt, dass er in seinem vielleicht einzigen richtigen Zuhause einfach eingeschlafen wäre.“

Wann ist der richtige Zeitpunkt, sein Tier gehen zu lassen – wann kann man ihm noch ein schönes und lebenswertes Leben bereiten? Ein paar Monate im gewohnten Zuhause und ein friedliches Einschlafen – davon träumen die meisten Tierhalter. Auch Pfotenhieb-Leserin Edda Frieden wollte ihrem Diabetikerkater, der zudem an Schilddrüsenüberfunktion, FORL, Herzproblemen und CNI litt, noch ein paar schöne Wochen bereiten. Ein Plan, den sie mit ein wenig Vorbereitung und viel Engagement in die Realität umsetzen konnte. „Ich habe daheim den Blutzucker selber gemessen und das mindestens vor jeder Spritze – niemals bekam er Insulin, ohne dass ich den aktuellen Wert wusste“, berichtet sie. „Die CNIchen habe ich daheim selber subkutan infundiert. Ich habe nie einen Tag bereut und konnte allen noch ein schönes Leben durch die Pflege und das kümmern zukommen lassen.“ Auch Gisela Poser teilt die Geschichte ihrer Katze auf der Pfotenhieb-Facebook-Fanpage: „Wir haben unseren Dolph, der fast blind und taub und an Alters-HCM litt, über ein Jahr gepflegt, mehrmals täglich Medikamente geben müssen, nachts aufs Klo gesetzt usw. Von den zahlreichen Tierarztbesuchen ganz zu schweigen, er wurde dreimal im Thorax punktiert. Die Tierklinik wollte ihn gleich nach Diagnosestellung erlösen. Wir haben ihn noch über ein Jahr bei uns gehabt. Ob es für ihn richtig und gut war?“

Die Entscheidung, sein Tier gehen zu lassen oder nicht, hängt nicht zuletzt von der Diagnose ab. Eine Nierenerkrankung kann sich gut behandeln lassen. „Auch die Diabetiker unter unseren Tigern haben es schwer, da die Leute nicht wissen, dass man den Blutzucker wunderbar daheim messen kann, oder die CNIchen auch subkutan infundieren kann“, berichtet Edda Frieden.

Doch nicht alle Erkrankungen können in Eigenregie behandelt werden. Ob sich eine Chemotherapie lohnt, hängt von der eigentlichen Krebserkrankung und dem jeweiligen Stadium ab… Und niemand möchte seiner Katze einen angstvollen Tod während eines epileptischen Anfalles im Badezimmer zumuten.

Nicht zuletzt ist das alles leider auch eine Frage des Geldes, so traurig es ist. Tierarztbesuche sind teuer und in eine kranke Katze kann man ohne Probleme den Wert eines Kleinwagens in Untersuchungen und Medikamenten investieren…

Wo hört Tierliebe auf, wo fängt Egoismus an? Eine Frage, die sich jeder Freund irgendwann stellt und für die es doch keine Antwort gibt. Wie ist Ihre Meinung hierzu? Wir freuen uns auf Ihre Kommentare und Erfahrungsberichte!

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MK

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